„Never knew I could feel like this
Like I’ve never seen the sky before
I want to vanish inside your kiss
Every day I love you more and more […]“
(Lied „Come what may“ von Ewan McGregor und Nicole Kidman aus dem Film „Moulin Rouge“)
Egal, wie viele Jahre vergangen sind, noch immer bekomme ich beim Hören dieser Zeilen Gänsehaut. Wie sehr habe ich mir gewünscht, dass Baz Luhrmanns oscarprämierter Filmerfolg „Moulin Rouge“ aus dem Jahr 2001 mit Nicole Kidman und Ewan McGregor in den Hauptrollen endlich auf die große Musicalbühne kommt. Und meine Gebete wurden von den Broadway-Produzenten erhört. Im Jahr 2020 wurde das Broadway-Musical mit ganzen 10 Tony Awards (u.a. für Bestes Musical) ausgezeichnet. Und am 6. November 2022 feierte endlich das Musical „Moulin Rouge“ auch auf deutschem Boden, im Kölner Musical Dome, Premiere.
Am Samstag, den 27. Mai 2023, besuchte ich diese audiovisuelle Meisterleistung. Unter der Regie von Alex Timbers, nach dem Buch von John Logan, der musikalischen Leitung, der Orchestrierung und den Arrangements von Justin Levine ist das Musical eine Hommage an die Wahrheit, Schönheit, Freiheit und – vor allem – an die Liebe.
Doch wovon handelt diese berühmte Geschichte, die jeden in ihren Bann zieht?
In Paris des Jahres 1899 verliebt sich ein junger und mittelloser Schriftsteller in das schillernde Aushängeschild des legendären Moulin Rouge: Satine. Doch die Liebe von Christian und Satine darf nicht blühen, denn der reiche Duke of Monroth will das finanziell angeschlagene Moulin Rouge übernehmen und Satine an sich binden. Um das Moulin Rouge und seine große Liebe zu retten, inszeniert Christian zusammen mit Clubbesitzer Harold Zidler, den befreundeten Künstlern Toulouse-Lautrec und Santiago ein musikalisches Stück mit Satine in der Hauptrolle. Doch, was keiner weiß: Satine ist sehr krank.
Gelingt es Christian, das Moulin Rouge und seine große Liebe zu retten?
Um 20 Uhr öffnete sich der Vorhang und wir wurden sofort Teil der sündhaften Lust im verruchten Moulin Rouge der Jahrhundertwende. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr raus und wussten nicht, wohin wir zuerst schauen sollten. Vor allem die Hauptdarstellerin Sophie Berner, die ich schon als Sally Bowles im Musical „Cabaret“ live erleben durfte, hat mich von der ersten Sekunde an verzaubert. In ihrer Rolle der verführerischen Satine strahlte sie wie ein seltener Diamant. Die Rolle des Stars im Moulin Rouge ist ihr auf den Leib geschnitten. Sie überzeugte mit ihrer unglaublichen Bühnenpräsenz und ihrer rauchigen Stimme. Jeder im Saal fühlte ihre Zerrissenheit zwischen ihrer großen Liebe und Leidenschaft zu Christian und ihrem rationalen Wunsch, das Moulin Rouge durch eine Liaison mit dem Duke zu retten. Diese Unsicherheit spiegelte sich auch in ihrer Interpretation des emotionalen Liedes „Firework“ wider.
In Christian findet Satine endlich das, wonach sie ihr Leben lang unbewusst gesucht hat: die nicht nur rein körperliche Liebe. Christian, ein hingebungsvoller und mittelloser Künstler, empfindet im Gegensatz zu vielen Männern zuvor eine ehrliche Liebe zu Satine. Diese Rolle wird von Riccardo Greco, den viele Musicalfans aus den Musicals „Ghost – Nachricht von Sam“ und „We Will Rock You“ kennen, perfekt ausgefüllt. Greco überzeugte – sowohl als Schauspieler als auch Sänger – in seiner Rolle eines Mannes, der nur auf sein Herz hört und Satine aufrichtig liebt. Als Zuschauer nahm man ihm das Leiden, das besonders in dem berühmten und herzzerreißenden Lied „Roxanne“ offensichtlich wurde, ab.
Harold Zidler leitet mit viel Herz das Moulin Rouge. Bei der Rolle handelt es sich um eine historisch belegte Rolle: Charles Zidler (1832-1897) war der Mitbegründer des Moulin Rouges, das 1889 in Paris eröffnet wurde. Auf der Bühne wird diese historische Figur authentisch von Gavin Turnbull gespielt. Genauso wie im Film stellte Turnbull auch auf der Bühne einen exzentrischen und extrovertierten Leiter und Mann dar, dem aber das Schicksal seiner Mitarbeiter sehr am Herzen liegt.
Der Antagonist im Film und im Musical ist der reiche und von sich selbst überzeugte Duke of Monroth. Der Duke ist es gewohnt, das zu bekommen, was er will. Aus diesem Grund kauft er das Moulin Rouge, um das zu erlangen, was er aktuell am meisten begehrt: Satine. Er will sie aber nicht nur besitzen, sondern wünscht sich von ihr die gleiche Hingabe zu bekommen. So reagiert er sehr eifersüchtig, wenn er ihre wahren Gefühle für Christian erkennt.
Carsten Lepper gelang bei seiner Umsetzung der Rolle das, was einen starken Darsteller ausmacht: Seiner Figur gegenüber empfand man Antipathie, aber war als Zuschauer von dem Schauspieler begeistert. Den dominanten Charakter des Duke verdeutlichte uns Lepper nicht nur mit seiner Darstellung, sondern auch mit seiner Stimme und seinem Gesang.
In seinem Kampf um Satine ist Christian nicht alleine, sondern wird von zwei loyalen Weggefährten unterstützt: Toulouse (Alvin Le-Bass), dem sentimentalen Poeten und Regisseur, und Santiago (Vini Gomes), dem leidenschaftlichen Choreografen aus Argentinien. Beide sind in ihrem Wesen sehr unterschiedlich, doch halten beide bedingungslos zu Christian. Sehr stark von den beiden Musicaldarstellern Alvin Le-Bass und Vini Gomes verkörpert!
Dass im Musical „Moulin Rouge“ selbst die Nebenrollen hervorragend besetzt sind, bewies Annakathrin Naderer. Als Tänzerin Nini verdrehte sie nicht nur Santiago den Kopf. Spätestens in der verruchten Nummer im zweiten Akt lagen ihr die Männer im Saal zu Füßen.
75 Songs von 165 Komponisten – das ist „Moulin Rouge“. Im Gegensatz zu anderen Musicals gibt es keine eigens für die Show komponierten Songs, sondern u.a. Evergreens von Beyoncé, Marilyn Monroe, Madonna und Nirvana.
Alle beliebten Ohrwürmer aus der Verfilmung finden sich auch im Musical wieder: „Lady Marmalade“ (Christina Aguielera, Pink, Mya, Lil‘ Kim), „Roxanne“ (The Police), „Your Song“ (Elton John). Nur ein Lied wurde für „Moulin Rouge“ komponiert: „Come What May“, das neben „Your Song“ und „Roxanne“ zu meinen All time-Favoriten gehört.
Das Musical „Moulin Rouge“ in Köln ist die erste nicht-englischsprachige Produktion weltweit. 20 Prozent der Lieder werden in Englisch intoniert, der Rest wurde übersetzt. Es wurden neue Lieder in das Repertoire aufgenommen, darunter „Firework“ von Katy Perry und „Bad Romance“ von Lady Gaga, die alle sehr gut in die Geschichte passen. Auch originale deutsche Charterfolge finden ihren Platz in dem neuen Konzept und sorgten für viele Schmunzler im Zuschauersaal.
Die Musik steht neben der Liebesgeschichte und dem Bühnenbild im Vordergrund der Bühnenadaption. Justine Levine hat die berühmte Musikauswahl für die Bühne fantastisch der heutigen Zeit angepasst. Die Band unter der Leitung von Heribert Feckler interpretierte das grandios in dem Musical und sorgte für viele Gänsehautmomente.
Schon vor der eigentlichen Show wird man im Zuschauersaal in das reizvolle „Moulin Rouge“ der Jahrhundertwende entführt. Das Bühnenbild von Derek Mclane raubt einem beim Betreten des Saals den Atem. Für das Musical wurde der komplette Musical Dome zur roten Sünde umgebaut. Mit über 20 Millionen Euro ist es die bislang teuerste Produktion von Mehr-BB Entertainment in der Domstadt. Der ganze Musical Dome ist zu der berühmten roten Windmühle des Moulin Rouge im Montmartre geworden. Überall roter Samt, 39 Kronleuchter, zwei Kilometer Lichterkette und der blaue Elefant aus dem Film – das muss man alles mit eigenen Augen gesehen haben, um es zu glauben.
Auch die über 500 extravaganten Kostüme im Musical (Korsetts, Federboas und Samtanzüge) transportieren das Publikum direkt in das Moulin Rouge. Die Leistung der Kostümdesignerin Catherina Zuber wurde dafür mit dem Tony, Drama Desk und IRNE-Award honoriert.
Die fesselnden Choreografien von Sonya Tayeh runden dieses außergewöhnliche Musicalerlebnis ab. Anspruchsvolle Choreografien, authentische Etablissementnummern (z.B. der Cancan als das Markenzeichen des Moulin Rouge) und ein unfassbar schnelles Tempo. Hut ab vor dieser Leistung der Tänzer und Musicaldarsteller!
Mein Fazit: Die Bühnenadaption „Moulin Rouge“ in Köln ist ein audiovisuelles und betörendes Feuerwerk! Es handelt sich um ein detailverliebtes Kunstwerk, das die Herzen der Fans der Verfilmung zum Pochen bringt und die Herzen der Zuschauer, die den Film noch nie gesehen haben, im Sturm erobert. Brillante Musicaldarsteller – bis in die kleinste Rolle -, extravagante Kostüme, ein aufsehenerregendes Bühnenbild und die beliebten Ohrwürmer aus dem Film, gepaart mit neuen Evergreens – das macht alles das Musical in Köln aus. „Moulin Rouge“ ist ein Must-See im deutschsprachigen Raum!
Wichtiger Hinweis: Unbedingt den Zuschauersaal mindestens 15 min. vor der eigentlichen Show betreten und staunen! 15 Minuten vor Showbeginn beginnt die Pre-Show mit Tänzerinnen in Stapsen und Dandys in Käfigen.
Adresse: MUSICAL DOME
Goldgasse 1
50668 Köln
Weitere Informationen:
https://www.facebook.com/moulinmusicalDE
https://www.moulin-rouge-musical.de/cologne/home/
Text © E. Günther
Titelbild und Szenenfotos © Johan Persson
Fotos aus dem Zuschauersaal © E. Günther